"Journalisten der Finsternis"
An den Grenzen medialer Leistungsfähigkeit – Afrika
Seit Jahrzehnten wird von Wissenschaft und journalistischer Praxis harsche Kritik an Präsentation und Inhalt von Afrika-Berichterstattung in Massenmedien geübt. Im Buch ‘Journalisten der Finsternis’ wird anschaulich analysiert, welche Strukturen diese fragwürdige Berichterstattung befördern, unter welchen Bedingungen Afrika-Korrespondenten zurecht kommen müssen und wie wenig afrikanische Kollegen auf Berichterstattung beeinflussen können. Bei der Nachrichtenauswahl spielt auch die kulturelle Dimension eine wichtige Rolle. Afrika-Berichterstattung hat eine Historie, eine Herkunft, folgt tradierten Erzählmustern und Stereotypen. Der gesellschaftliche Unterbau, Afrikas angeblich so marginale Rolle im politischen und wirtschaftlichen globalen Machtgefüge sowie unsere nationalen Interessen an Afrika fundieren die Berichterstattungsmuster.
Wer kommt medial überhaupt zu Wort? – Auf diese Frage gibt die Inhaltsanalyse von 1055 Beiträgen anerkannter Qualitätsmedien wie Spiegel oder Deutsche Presseagentur erstaunliche Antworten: Die wichtigsten Quellengruppen sind a) “andere Medien”, das heißt, es wird sehr häufig zitiert und abgeschrieben; b) “UN und Hilfsorganisationen” sowie c) afrikanische und d) westliche Regierungsvertreter. Ganze afrikanische Quellengruppen aus der Zivilgesellschaft haben offenbar kaum eine Stimme. Diskutabel auch: 60 Prozent alle genannter Quellen in Afrika-Beiträgen sind gar nicht originär afrikanisch, sondern externe Stimmen aus Deutschland, Frankreich, den USA usw.; wobei afrikanische Akteure meist negativ dargestellt werden, die Externen dagegen meist positiv. Wirken hier alte koloniale Erzählmuster?
Die Befragung von 23 Afrika-Korrespondenten und fünf lokalen Mitarbeitern an den Korrespondentenstandorten Nairobi/Kenia, Johannesburg und Kapstadt/Südafrika förderte ebenfalls trefflich zu diskutierende Ergebnisse zu Tage: So haben Korrespondenten durchschnittlich 33 Länder zu betreuen und setzten im Schnitt in ein Drittel der Länder ihrer Berichtsgebiete noch nie einen Fuß. Die Hälfte aller Korrespondenten betreut alle Länder Subsahara-Afrikas (heute 49 Staaten).
Die finanziellen und personallen Ressourcen für Afrika-Berichterstattung gehen dabei kontinuierlich zurück. Seit der Jahrtausendwende wurden 20 Prozent der Korrespondentenstellen abgebaut, fanden drastische Einschnitte bei Honorar und Reise-Etats statt, verringerte sich für zwei Drittel der befragten Korrespondenten die Zahl der Abdruck- und Sendeplätze. Die Hälfte der befragten Korrespondenten kann nur einen Beitrag pro Woche oder weniger absetzen. Ein Viertel arbeitet deshalb parallel für Hilfsorganisationen, hier vor allem im PR-Bereich. Anders kommen viele nicht über die Runden. Wie vertragen sich unabhängiger Journalismus und PR-Nebentätigkeiten in der Hilfsindustrie?
Nach Auskunft der Korrespondenten sind strukturelles Desinteresse und Kompetenzdefizite in Heimatredaktionen die Regel. Eine inhaltliche Betreuung durch die Redaktionen findet bei drei Vierteln der Korrespondenten selten oder nie statt, die Hälfte der Befragten hat in der Heimatredaktion überhaupt keinen Ansprechpartner für Afrika-Themen und kritisiert den fortschreitenden Abbau von Fachredaktionen.
Und die Korrespondenten selbst? Für zwei Drittel ist Afrika der Einstiegskontinent in ihre Korrespondentenkarriere. Der institutionell-strukturelle Erwerb von Afrika-Fachwissen ist unter ihnen vergleichsweise schwach ausgeprägt. Meist handelt es sich bei ihnen um Autodidakten, die inhaltlich alle Themenfelder abdecken müssen. Weiterbildungsmöglichkeiten und -angebote zum Aneignen von Regionalwissen bieten die Heimatredaktionen kaum an.